Jedes Jahr werden tausende, großteils schwangere Kühe aus Österreich exportiert, die meisten davon per LKW in die Türkei. Ein Team des VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN hat zu den Hintergründen dieser Transporte recherchiert und ist Mitte Juni 2024 dem langen und beschwerlichen Weg einiger dieser Tiere über mehrere Tage bis nach Anatolien in der Zentraltürkei gefolgt. Die Fahrer machten illegalerweise Schlafpausen, während die Tiere im LKW eingesperrt waren. Trotz hoher Temperaturen mussten die jungen Kühe die meiste Zeit ohne Wasser auskommen.
Wöchentlich bis monatlich werden in Österreich in Versteigerungshallen Rinder versteigert, um exportiert zu werden. Zuchtkalbinnen (auch Färsen genannt) – das sind junge Kühe, die noch kein Kalb geboren haben – landen vor allem in der Türkei. Eine der Versteigerungshallen, von denen diese Transporte ausgehen, liegt im Bezirk Melk.
Nach der jeweiligen Versteigerung müssen die Kalbinnen 30 Tage lang in Quarantäne verbringen, bevor sie exportiert werden. Meist werden die Kühe schwanger transportiert, weil die Käufer:innen auf diese Weise nicht nur eine Kuh, sondern im gleichen Zug auch ein Kalb erwerben – ein lukratives Geschäft, das jedoch für die schwangeren Kühe aufgrund ihrer besonderen Bedürfnisse erhöhte Belastungen bedeutet. Die EU-Tiertransportverordnung (EU-TTVO) erlaubt Transporte von hochschwangeren Tieren bis zu einem Schwangerschaftsstadium von 90 % (Anhang I Kapitel I Z 2 lit. c.).
Zu Beginn der heißen Sommermonate, am 14. 6. 2024, fuhr ein Recherche-Team des VGT zwei Tiertransportern, die zweistöckig und mit jeweils etwa 30 schwangeren Rindern beladen waren, von Niederösterreich bis in die Türkei nach. Die Route führte über Ungarn, Rumänien und Bulgarien bis nach Anatolien in der Zentraltürkei. Erst nach 4 Tagen und fast 2.500 Kilometern (!) kamen die schwangeren Kühe dort an.
Für die Tiere war der Transport von Anfang bis Ende eine Tortur. Die Verladung erfolgte teilweise grob, einige Kalbinnen wurden sogar geschlagen. Unterwegs wurden die schwangeren Kühe zahlreiche Stunden nicht gefüttert und nicht ausreichend getränkt. Die EU-Tiertransport-Verordnung schreibt bei Langstreckentransporten von ausgewachsenen Rindern vor, dass diesen nach14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause
zu gewähren ist, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können
(Anhang I Kapitel V Z 1.4. lit. d.). Doch bei keinem einzigen Tiertransporter konnten wir beobachten, dass die Tiere auf dem LKW versorgt wurden. Bei mehreren Pausen prüften wir, ob aus den auf den Transportern verbauten Tränken Wasser floss – ohne Erfolg. Bei einem anderen, am 28. Juni 2024 angetroffenen Tiertransport von österreichischen Rindern in die Türkei wurde dokumentiert, wie der Wassertank an einer ungarischen Raststation absichtlich entleert wurde.
In der ersten Nacht des Transports bleiben die LKWs oft auf Parkplätzen oder am Straßenrand mitten in Rumänien stehen, und die Fahrer schlafen, während die Tiere im Fahrzeug eingesperrt bleiben. So auch die beiden in Niederösterreich abgefahrenen Tiertransporter. Einer der beiden Transporter machte eine Pause – vermutlich zum Schlafen – in Rumänien an der Landstraße. Der andere Transporter machte zusätzlich zu einer Pause in Rumänien eine weitere Pause – offenbar wieder zum Schlafen – am Vormittag des nächsten Tages in Bulgarien. Der LKW parkte sogar in der Sonne bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius. Von weitem konnten wir beobachten, wie eine Kalbin – vermutlich auf der Suche nach Flüssigkeit – an den Gitterstäben und Innenwänden des LKWs leckte.
Die EU-TTVO sieht zudem vor, dass die Rinder nach 29 Stunden Transportzeit (inkl. der einstündigen Ruhepause) entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten müssen (Anhang I Kapitel V Z 1.5. EU-TTVO). Das erste Mal abgeladen wurden die Tiere jedoch erst nach etwa 29,5 Stunden im Fall des ersten Transportes und im Fall des zweiten sogar erst nach mehr als 32 Stunden Fahrzeit exklusive Be- und Entladung. In dem Wartestall in Svilengrad in Bulgarien, nicht weit von der türkischen Grenze gelegen, bleiben die Tiere in der Regel ein bis zwei Tage, bis sie die anstrengende Grenzüberfahrt in die Türkei antreten müssen. Auch dort konnten wir nur eine unzureichende Versorgung feststellen. Permanenter Zugang zu Wasser schien nicht gegeben, wir fanden leere, verdreckte Tränken vor. Die Verhaltensweisen mancher Kühe deuteten auf Missstände hin: Mehrere Kalbinnen zeigten stereotypisches Zungenschlagen, was ein Anzeichen für einen erhöhten Stresslevel und eine Unterversorgung sein kann.
Sonntag Nacht startete einer der beiden Transporter, in Richtung des bulgarisch-türkischen Grenzübergangs Kapitan Andreevo-Kapikule. Da allerdings die türkische Veterinärbehörde an der Grenze nachts geschlossen hat, war eine Weiterfahrt vor Montag Morgen nicht möglich. Die Grenzüberfahrt dauerte insgesamt etwa 16 Stunden lang, während derer die Kühe am LKW warten mussten und sowohl auf der bulgarischen, als auch auf der türkischen Seite von der jeweiligen Veterinärbehörde kontrolliert wurden.
Der andere von uns beobachtete Tiertransporter fuhr am Montag in den frühen Morgenstunden zur EU-Außengrenze und brauchte etwa 8 Stunden für die Überfahrt inklusive der Veterinärkontrollen.
Nach der strapaziösen Grenzüberfahrt werden die Tiere in einem Stall in Kapikule, kurz nach der türkischen Grenze, noch einmal für etwa drei Stunden abgeladen. Dort bekommen sie in der Regel zumindest Wasser. Futter bleibt ihnen jedoch verwehrt, da das mit zusätzlichen Kosten für die Transportfirmen verbunden wäre und diese sich daher regelmäßig dagegen entscheiden, Futter anzukaufen. Manche der Kalbinnen bestiegen sich gegenseitig. Dieses Verhalten kann auftreten, wenn die Tiere gestresst oder nervös sind, oder auch aus Langweile und mangelnder Beschäftigungsmöglichkeit.
In der Türkei angekommen, verlor unser Recherche-Team die Spur einer der beiden Tiertransporter aus Niederösterreich. Stattdessen entdeckten wir beim Stall in Kapikule drei weitere mit österreichischen Kalbinnen beladene LKWs, die im Konvoi von dort wegfuhren. Spontan entschieden wir uns dazu, auch deren restliche Transportroute zu dokumentieren.
In der Nacht von Montag auf Dienstag legten alle von uns dokumentierten Tiertransporter eine Schlafpause auf türkischen Autobahn-Raststationen ein, während die Kühe unversorgt im LKW ausharren mussten. Auch Dienstag Vormittag bzw. Mittag blieben die Tiere in der prallen Sonne im LKW zurück, während die Fahrer essen gingen. Wasser für die Tiere war auch diesmal wieder nicht vorhanden, trotz hoher Temperaturen, die weit über der Obergrenze der Komforttemperatur für erwachsene Rinder (25° C) lagen. Die Belüftung war ausgeschaltet und die Fenster der Tiertransporter teilweise stark mit Kot überzogen. Die Verzweiflung und Erschöpfung stand den meisten von ihnen ins Gesicht geschrieben. Auch vor Verletzungen blieben nicht alle Tiere verschont. Bereits auf einer Raststation in Ungarn konnten wir eine Wunde am Knie dokumentieren.
Der niederösterreichische Tiertransporter erreichte seinen Zielort, den Stall eines Viehhändlers in Kayseri im zentraltürkischen Anatolien, am Dienstag, den 18. Juni am späten Nachmittag nach insgesamt 98 Stunden Beförderungszeit. Fast 2.500 km legten die schwangeren Rinder dafür zurück. Die Landschaft in dieser Region ist trocken und karg – saftige, grüne Wiesen sucht man hier vergeblich. Der Boden des Stall-Außenbereichs war überzogen mit Plastikmüll und alten Reifen.
Der Transport der anderen drei Tiertransporter endete ebenfalls in Anatolien, etwa 90 Kilometer nördlich von Kayseri. Am Dienstag gegen 13 Uhr erreichten die durstigen und erschöpften Kalbinnen endlich ihr vorgesehenes Ziel.
Dieses Tierleid muss ein Ende finden!
Die beiden Zieldestinationen der von uns dokumentierten Tiertransporte liegen inmitten einer trockenen und kargen Landschaft. Die hohen Temperaturen machen den Tieren, die mitteleuropäisches Klima gewohnt sind, sehr zu schaffen. Auch die Futterversorgung ist problematisch, da Milchrinder nährstoffreiches Futter brauchen, was die kargen Wiesen in Anatolien nicht liefern können.
Doch der Export von Zuchtrindern stellt für die heimische Rinderbranche einen lukrativen Geschäftszweig dar. Alleine durch den Export konnte 2023 eine Wertschöpfung von 53 Mio. € erzielt werden. Die Türkei ist dabei der Hauptabnehmer von österreichischen Zuchtkalbinnen – in der Regel handelt es sich um Fleckvieh, auch Simmentaler oder Simmentaler Fleckvieh genannt. Zuchtrinder aus Österreich sind ein Exportschlager
, wie es die Rinderzucht Austria (RZA) formuliert hat. Laut RZA wurden 40.416 Zuchtrinder im Jahr 2023 vermarktet, wovon 29.186 (72 %) exportiert wurden. 32 % davon landeten nach langem und oft qualvollen Transport im vorder- und zentralasiatischen Raum. Laut Eurostat wurden 2022 aus dem gesamten EU-Raum 15.268 Zuchtkalbinnen in die Türkei importiert, 2023 waren es 87.424. Aus Österreich kamen im Jahr 2022 rund 17 % (2.629 Kalbinnen) und rund 10 % im Jahr 2023 (8.914 Kalbinnen).
Zweck dieser Kalbinnen-Exporte ist angeblich der Herdenaufbau im Zielstaat. Dass dieser tatsächlich erfolgreich stattfindet, darf aber bezweifelt werden. Die schon erwähnten Standortfaktoren, wie das heiße und trockene Klima, an das die österreichischen Tiere nicht angepasst sind, das mangelnde Futterangebot – 60-70 % müssen importiert werden –, sowie die mangelhafte landwirtschaftliche Infrastruktur stehen einem erfolgreichen Herdenaufbau im Weg. Die Nachfrage nach Rindfleisch ist hoch und die Schlachtpreise sind lohnend, was erklärt, warum die Menge an erzeugtem Rindfleisch – darunter das Fleisch von Milchkühen – ebenfalls hoch ist. Der Verkaufspreis für Rindfleisch in der Türkei ist über die letzten Jahre kontinuierlich gestiegen, zuletzt schlagartig. So lag der Preis Für 1 kg Rinderhackfleisch im August 2023 bei 300 Lira und damit 172 % höher als ein Jahr davor.
Der Herdenaufbau für die Milchwirtschaft scheint nicht erfolgreich stattzufinden, denn wie sonst kann man sich erklären, dass seit Jahren jedes Jahr zehntausende Rinder aus Österreich und anderen EU-Staaten in die Türkei exportiert werden? Da die Nachfrage nach Fleisch das Angebot übersteigt, ist davon auszugehen, dass viele Tiere frühzeitig geschlachtet und zu Fleisch verarbeitet werden. Das Argument des Herdenaufbaus ist fadenscheinig. Exporte heimischer Rinder dienen allem Anschein nach vielmehr dazu, den heimischen Markt zu entlasten. Ginge es bei den Kalbinnen-Exporten tatsächlich nur um den Herdenaufbau in der Türkei, so könnte man schließlich Lebendtierexporte einfach durch den bereits in der Praxis angewendeten Export von Genmaterial ersetzen und den Tieren damit großes Leid ersparen.
Verstärkt wird die Problematik dieser Transporte noch dadurch, dass die Kühe in Drittstaaten wie der Türkei Bedingungen vorfinden, die den durch das europäische Recht festgesetzten Standards nicht genügen.
Der EuGH hat 2015 geurteilt (C-424/13), dass der im Unionsrecht vorgesehene Schutz von Tieren beim Transport nicht an den Außengrenzen der Union endet und die Anforderungen an die Zeitabstände für das Füttern und Tränken sowie an die Beförderungs- und Ruhezeiten auch für den außerhalb der Union liegenden Abschnitt eines Transports gelten. Wie z.B. mehrere Tierschutzorganisationen im Zuge von Kontrollen von Schaf-, Ziegen- und Rinderexporten aus der EU an der türkischen Grenze über einen Zeitraum von 5 Jahren (Oktober 2010 bis Juli 2015) festgestellt haben, sieht die Realität anders aus. Nicht nur wurden bei 70 % der insgesamt 352 kontrollierten Transporter teilweise schwere Verstöße gegen die EU-Verordnung Nr. 1/2005 festgestellt, sondern es gibt in der Türkei auch keine Infrastruktur und keine Kontrollposten zur Versorgung der Tiere.
Hinzu kommen noch zahlreiche andere Verstöße, die im Zusammenhang mit Transporten in Drittstaaten systematisch auftreten, so etwa falsche oder unrealistische Angaben der Transportzeiten im Fahrtenbuch oder auch unzulässige Transportverzögerungen, die z.B. durch eine zu geringe Anzahl an Fahrer:innen entstehen (denn die Fahrer:innen müssen jeweils nach 9 bzw. maximal 10 Stunden Lenkzeit eine Ruhepause von 11 Stunden einhalten – auf Kosten der Tiere).
Tierschutz ist in Österreich ein Staatsziel. Tiere auf Transporten, die systematisch gegen geltendes Recht verstoßen, in Staaten zu exportieren, in denen kein dem österreichischen oder europäischen Recht entsprechender Tierschutz gewährleistet werden kann, widerspricht eindeutig diesem Staatsziel. Helfen Sie uns daher, diese Drittlandexporte zu beenden, indem Sie unsere Petition unterzeichnen!
Unterstützen Sie unsere Petition, denn nur gemeinsam können wir diese qualvollen Transporte beenden, bevor sie entstehen.
Die Politik muss den Wunsch der Bevölkerung endlich ernst nehmen und diese Transporte sofort unterbinden.
Wir, die Unterzeichnenden, fordern daher:
Vielen Dank für Ihre Hilfe!